„Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
Der Klimawandel offenbart, wie zutreffend dieser Gedanke ist, der dem französischen Schriftsteller Victor Hugo zugeschrieben wird: Immer mehr Menschen erkennen, dass der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen überlebenswichtig ist. Neben Kundenorientierung und Qualität ist Nachhaltigkeit die dritte Anforderung, an der sich Unternehmen künftig messen lassen müssen.
Vor allem die hoch entwickelten Industriegesellschaften müssen sich eingestehen, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen, um den Klimawandel zu bremsen: „Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, zu dem sich die internationale Gemeinschaft 2015 in Paris verpflichtet hat, müssen wir alle handeln“, sagt Bettina Würth, die Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe.
Vier Ansatzpunkte zum Handeln
Als global tätige Unternehmensgruppe mit mehr als 400 Gesellschaften und über 4 Millionen Kundinnen und Kunden kann Würth an zahlreichen Stellen wirksam zur Senkung der Umweltbelastung beitragen. Vier beispielhafte Ansatzpunkte bieten Produkte und Systeme, die Gestaltung von Prozessen und die eigene Infrastruktur. Hierzu hat das Mutterunternehmen bereits 1996 ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem etabliert.
Zwei weltweit erfolgreiche Würth Produkte sind der Hochtemperatur-Schmierstoff HHS 2000 und der Bremsenreiniger. Beide Problemlöser wurden bereits vor mehr als 30 Jahren auf FCKW-freie Treibmittel umgestellt, um die Schädigung der globalen Ozonschicht zu vermeiden. Ein Beispiel aus der Systemwelt ist das isi! Gefahrstoffmanagement für das Handwerk und mittelständische Unternehmen. 2004 in Deutschland eingeführt, unterstützt es heute Kundinnen und Kunden in vielen europäischen Ländern bei der Erstellung von gesetzlich vorgeschriebenen Gefahrstoffverzeichnissen, Sicherheitsdatenblättern und Betriebsanweisungen.
Cradle to Cradle®: Vom Lebenszyklus zum Kreislauf
Wenn Nachhaltigkeit ein wichtiger Baustein zur Erreichung von Klimaneutralität ist, muss es das vorrangige Ziel sein, wertvolle Rohstoffe effizienter zu nutzen, umweltgefährdende Substanzen konsequent zu vermeiden und den erforderlichen Energieeinsatz auf ein Minimum zu beschränken. Dieser Absicht folgt das Designkonzept Cradle-to-Cradle®, das die Adolf Würth GmbH & Co. KG auf Initiative von Bettina Würth seit 2017 in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Braungart in vielen Sortimentsbereichen verwirklicht. Es geht über klassisches Recycling weit hinaus und folgt der Devise: Aus Rohstoff wird Produkt, aus Produkt wird wieder Rohstoff. Cradle-to-Cradle® zielt auf eine nahezu unendliche Wiederverwendbarkeit der eingesetzten Materialien, indem dieser Kreislauf schon bei der Produktentwicklung mitbedacht wird. Die sortenreine Trennung der Bestandteile, die Erhöhung des Anteils recycelter Materialien und die Senkung des Energieverbrauchs über den gesamten Lebenszyklus hinweg sind dabei drei wichtige Forderungen. Wie gut das in der Praxis funktioniert, zeigt das Schnellmontagesystem VARIFIX® von Würth, dessen Kreislauffähigkeit seit fünf Jahren optimiert wird. Eines der ersten Referenzobjekte, in denen das neue VARIFIX®-System verbaut wurde, ist übrigens das Carmen Würth Forum in Künzelsau.
Die Kreislaufwirtschaft eröffnet auch der Bekleidungsindustrie riesige Potenziale. Wie attraktiv das aussehen kann, zeigt Würth MODYF seinen Kunden ab 2023 mit der kreislauffähigen ,,Cetus“-Kollektion. Arbeitskleidung mit höchsten Anforderungen an Funktionalität, Arbeitsschutz und Tragekomfort lassen sich sehr gut mit nachhaltigem Ressourceneinsatz verbinden. Bei der Verarbeitung hochwertiger Garne und Fasern ergibt es auch wirtschaftlich Sinn, die spätere Wiederverwertbarkeit von Anfang an zu berücksichtigen. Bettina Würth unterstreicht dies:
„Zirkuläre Wirtschaft soll auf lange Sicht untrennbar mit der Marke Würth verbunden sein. Damit wollen wir uns neue Geschäftsmodelle erschließen.“
So funktioniert Cradle to Cradle®
Das Designkonzept Cradle-to-Cradle® wurde Ende der 1990er-Jahre nach einer Idee des deutschen Chemikers Professor Dr. Michael Braungart zusammen mit dem US-Architekten William McDonough entwickelt. Es ist von der Natur inspiriert, in der Müll nicht vorkommt. So verliert ein Baum im Herbst zwar seine Blätter, doch diese werden von Kleinstlebewesen in ihre Bestandteile zersetzt und dienen so anderen Pflanzen als Nährstoff. Auch die Exkremente oder Kadaver von Tieren werden zum Dünger für Pflanzen, die wiederum Nahrung für andere Tiere und den Menschen sind. Bei den von Menschen hergestellten Produkten unterscheidet Cradle-to-Cradle® zwischen einem biologischen und einem technischen Kreislauf: Während die Rohstoffe im biologischen Kreislauf letztlich zum Nährstoff für Pflanzen werden, sollen die Bestandteile im technischen Kreislauf unendlich lang wiederverwendet werden.
Anders als beim Recycling werden hochwertige Rohstoffe bei Cradle-to-Cradle® nicht in geringwertigere Sekundärrohstoffe umgewandelt, sondern bleiben ungeschmälert erhalten. Das ist möglich, weil Cradle-to-Cradle®-Produkte von Anfang an auf diesen Prozess ausgelegt wurden. An-statt etwa ein Autowrack aus hochwertigem Stahl in primitiven Betonstahl umzuwandeln, wie dies aktuell geschieht, würde der Stahl so aufbereitet, dass sich daraus ein neues Auto formen lässt. Der Energiebedarf für diesen Prozess wird durch erneuerbare Energiequellen gedeckt.
Chancen bietet Cradle-to-Cradle® ebenfalls bei der Lagerhaltung: So lassen sich zahlreiche Komponenten des Lagermanagementsystems ORSY® nach Jahrzehnten härtester Beanspruchung sinnvoll recyceln. Im Verpackungsbereich sparen wiederaufbereitete Materialien weitere Rohstoffmengen ein. Das optimierte Verpackungsdesign für Zerspanungswerkzeuge reduziert den Einsatz von neuem Kunststoff bereits heute um 45 Tonnen jährlich. In drei Jahren soll die Hälfte aller Verpackungen bei Würth kreislauffähig sein.
Da jeder Warenversand ebenfalls Klimakosten erzeugt, ist es im Sinne der Nachhaltigkeit zielführend, das Belieferungskonzept zu überdenken. Ein Lösungsansatz der Adolf Würth GmbH & Co. KG: weniger Einzelsendungen, wo immer dies möglich ist. Der „Würth Liefertag“ ist ein Serviceangebot an Unternehmen, die lieber eine große Sendung empfangen als mehrere kleine.
„Beim Würth Liefertag laufen viele einzelne Bestellungen des Kunden auf einen fixen Zustelltermin in der Woche auf und werden gebündelt. Den Tag der Zustellung legt der Kunde selbst fest“,
erklärt Bettina Würth. Das Ergebnis: Bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen pro Kunde. Und weniger Aufwand beim Handling im Kundenlager.
Klimaneutral mit Unterstützung des Würth Innovationszentrums
Nachhaltigkeit ist kein Zufalls- oder Nebenprodukt des normalen Geschäftsbetriebs, sondern eine Grundhaltung, die konsequentes Handeln erfordert. Den geeigneten Rahmen schafft das Unternehmen nun im neuen Innovationszentrum in Künzelsau: Auf 15.000 Quadratmetern entstehen modernste Labore und Werkstätten. Die unmittelbare Nähe zum Produktmanagement und Vertrieb erlaubt eine deutliche Beschleunigung der Entwicklung von der Idee zum marktfähigen Produkt. Das zweite große Anliegen – die Steigerung der Nachhaltigkeit – erläutert Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth, der Vorsitzende des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe: „Eines der wichtigsten Forschungsziele wird sein, für unser Unternehmen Produktreihen und Fertigungsprozesse zu entwickeln, die mit weniger Energieverbrauch bei der Herstellung und dem späteren Betrieb auskommen. Damit werden die 70 Millionen Euro, die wir hier investieren, sehr gewinnbringend investiert, nicht in erster Linie in Profit, sondern in unser Ziel, die Würth-Gruppe klimaneutral betreiben zu können.“
Wo die Infrastruktur fehlt, ist Eigeninitiative Trumpf!
Für ein Direktvertriebsunternehmen mit einer leistungsfähigen Außendienstorganisation ist Mobilität unverzichtbar. Heute bieten zahlreiche Hersteller Elektro-Pkw an, die auch den harten Anforderungen im Außendienst standhalten. Jedoch hinkt der Aufbau einer adäquaten Lade-Infrastruktur dieser Entwicklung hinterher. Damit die Adolf Würth GmbH & Co. KG den Fuhrpark des Außendienstes innerhalb der kommenden zwei Jahre vollständig auf elektrische Fahrzeuge umstellen kann, sollen am Hauptsitz in Künzelsau insgesamt 200 Ladepunkte entstehen; weitere Ladepunkte sind an vielen der aktuell über 550 deutschen Niederlassungen geplant.
Erneuerbare Energiequellen konsequent nutzen
Wer – wie die Würth-Gruppe – in vielen Bereichen der Baubranche und der Baunebengewerbe innovative Lösungen entwickelt, sucht selbstverständlich auch beim eigenen Gebäudemanagement nach Verbesserungen. Beispielsweise bei der Wärme- und Energieversorgung. Der Hauptsitz in Künzelsau ist bereits komplett auf Strom aus erneuerbaren Quellen umgestellt. Bettina Würth:
„Es ist unser Ziel, möglichst vollständig auf erneuerbare Energieträger umzusteigen und die CO2-Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren.“
Gleiches gilt für die Tochtergesellschaften, wie die Unternehmenszentrale von HAHN+KOLB in Ludwigsburg. Bei dem Bau des Firmengebäudes wurde besonders Wert auf eine moderne, nachhaltige Bauweise gelegt, welche eine ressourcenschonende Energieversorgung ermöglicht. Die 90 Meter tiefen Geothermie-Bohrungen unterstützen eine innovative Heiz- und Klimatechnik. In Verbindung mit der Wärmepumpe wird ca. 70 Prozent des Jahresheizenergiebedarfs abgedeckt und in den warmen Monaten das Gebäude gekühlt. Das Dach ist mit heimischen Pflanzen begrünt, die Außenanlage wurde renaturiert und der alte Baumbestand beibehalten, Nistkästen und Insektenhotels bereichern das Umfeld ökologisch. Dafür wurde HAHN+KOLB ausgezeichnet von der „UN-Dekade Biologische Vielfalt 2019“.
„Nachhaltig sozial“
Wer ganzheitlich nachhaltig handeln möchte, darf die sozialen Folgen nicht aus den Augen verlieren. Würth ist nach wie vor ein Familienunternehmen, das heute nach denselben Grundsätzen geführt wird, die Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth vor Jahrzehnten formuliert hat:
„Die Unternehmenskultur der Würth-Gruppe ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen, von Berechenbarkeit, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit nach innen und außen.“
Visionäre Energie und Bodenständigkeit sind in diesem Umfeld keine Gegensätze, sondern die Grundlage, um immer wieder ehrgeizige Ziele zu entwickeln und diese mit großer Beharrlichkeit zu verwirklichen.
Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Reinhold Würth selbst in das junge Unternehmen eingestellt hat, haben ihre Begeisterung an ihre Kinder und Enkel weitergegeben. Dieser Zusammenhalt und die Orientierung über das Tagesgeschäft hinaus tragen auch die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie – umso mehr, als die überwiegend handwerklichen und mittelständischen Kundinnen, Kunden und Geschäftspartner diese Grundhaltung ebenfalls teilen.
Ein Sprichwort sagt, dass jede Reise mit einem ersten Schritt beginnt. Die Würth-Gruppe hat bereits viele Schritte in Richtung Klimaneutralität unternommen.
„Würth möchte einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten und andere Unternehmen inspirieren, dieselbe Reise anzutreten“,
sagt Bettina Würth. Mehr Nachhaltigkeit ist nicht nur ein hehres Ziel, sondern eine höchst produktive praktische Erfahrung. Sie beginnt mit einem Entschluss – und dem ersten Schritt.
ROBERT FRIEDMANN
SPRECHER DER KONZERNFÜHRUNG DER WÜRTH-GRUPPE
Als Würth-Gruppe haben wir gegenüber unseren weltweit mehr als 83.000 Mitarbeitenden und auch gegenüber unseren Kunden die Verantwortung, unser Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Die Erreichung dieses Ziels muss aber mit Engagement für eine gesunde Umwelt einhergehen, in der Leben nachhaltig möglich ist. Wer diese ökologische Verantwortung ignoriert, verbaut sich und anderen die Zukunft. Denn ein intakter Planet ist die Lebensgrundlage für uns Menschen. Das Engagement für die Umwelt bringt Kosten und Anstrengungen mit sich, aber auch neue Chancen. Denn wo wir Prozesse und Strukturen neu denken, entstehen Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Als Würth-Gruppe ist es unser Ziel, eine Win-win-Situation zu schaffen – für uns, unsere Kundinnen, Kunden und den Planeten. Wir wollen aktiv zu einem Wandel in der Industrie beitragen. Dabei geht es uns nicht um Greenwashing oder einen kurzlebigen Trend, sondern um echte Veränderung. Unsere Entscheidungen im Hier und Jetzt bestimmen unsere Zukunft – und die der nachfolgenden Generationen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.
Interview mit PROF. DR. MICHAEL BRAUNGART
Lesen Sie mehr zum Thema in unserem Interview.