Gibt es einen besseren Ort, um Geschichte begeisternd zu präsentieren, als das Gebäude, in dem sie ihren Anfang nahm? „Zum Staunen“ wolle man die Besucher bringen, sagen Maria Würth und Carla Mannschedel, die gemeinsam mit ihrem Team das Kocherwerk gestaltet haben. Und das gelingt – mit interaktiver und digitaler Aufbereitung der historischen Themen.
Wenige Monate nach seiner Eröffnung im Sommer 2021 ist das Kocherwerk, das die beeindruckende historische Entwicklung und Gegenwart der Schrauben- und Befestigungsindustrie in Hohenlohe präsentiert, bereits ein Erfolg. Das liegt maßgeblich am Initiator des Projekts, Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth, Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe, der 2017 erstmals mit seiner Idee an die Firmen des Clusters herantrat. Aber auch an der außergewöhnlichen Geschichte der Region und am Team um Maria Würth und Carla Mannschedel aus der Abteilung Kunst und Kultur in der Würth-Gruppe. Rund vier Jahre später sagt Maria Würth: „Es ist schön zu sehen, wie sich die Menschen für die Ausstellung begeistern und teilweise überrascht sind, was sich in diesem Themencluster alles verbirgt.“
Das Cluster bilden rund 30 Unternehmen aus der Region Heilbronn-Franken mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden. Firmen mit hundertjähriger Geschichte und einigen Tausend Mitarbeitenden treffen auf junge Unternehmen mit zehn bis 20 Angestellten. Alle 19 Mitglieder des gemeinnützigen Vereins der Förderer des Schrauben- und Befestigungsclusters Hohenlohe e. V., der 2018 gegründet wurde, finden nun in der denkmalgeschützten Roten Mühle in Forchtenberg-Ernsbach in einem Raum der Geschichte Platz, um die Historie ihres Unternehmens zu erzählen. Auch die Mühle selbst hat eine spannende Vergangenheit: Erstmals wurde 1378 eine Mühle in Ernsbach urkundlich erwähnt, ab 1898 beheimatet das ehemalige Mühlengebäude die Schrauben- und Eisenwarenfabrik von L. & C. Arnold, das erste Schraubenunternehmen im Kochertal. Die Rote Mühle gilt deshalb als Wiege der Befestigungsindustrie in der Region.
„HIER FINDET MAN GESCHICHTE ZUM ANFASSEN, DIE WIR SPIELERISCH PRÄSENTIEREN WOLLEN.“
Maria Würth
Das gelingt dank innovativer Darstellung des Themas. Im Labor können die Produkte des Befestigungsclusters praktisch erfahren werden, ein interaktives Quiz am Schraubenrad unterhält Besucher aller Generationen. In der gemütlichen Sofa-Lounge bieten Gründerinterviews zum Anhören Einblicke in die Historien der Firmen. Eine Werkstatt dient als Multifunktionsraum für Konferenzen und Events, dort kann aber auch an modernen Werkstattwägen und Werkbänken gearbeitet werden.
Ein Exponat ist den beiden Projektleiterinnen der Ausstellung dabei besonders ans Herz gewachsen. „Die Karte zum Auftakt der Ausstellung bedeutet uns viel“, sagt Maria Würth, und Carla Mannschedel erklärt, warum: „Sie stellt in kurzen Videos die Mitgliedsfirmen des Vereins vor und beschreibt im Zusammenspiel aller Videos die Grundidee des Kocherwerks: Es soll ein modernes Vereinsheim sein, das von vielen unterschiedlichen Unternehmen betrieben wird, und ein Treffpunkt ist für alle Firmen und Mitarbeitenden, aber auch für alle Einwohner von Heilbronn-Franken.“
Dieses moderne Vereinsheim ist nun deutlich größer und eindrücklicher geworden, als es bei Projektbeginn angedacht war. „Ursprünglich dachten wir eher an eine kleine Ausstellung mit Exponaten und Texttafeln“, erzählt Maria Würth, die auch auch zum Vereinsvorstand gehört. „Nun ist es eine interaktive, themenübergreifende Ausstellung auf 400 Quadratmetern geworden. Das hätten wir nie gedacht.“ Beide sind glücklich über die Wirkung, die das Kocherwerk auf die Gäste hat. Viele erleben den Besuch als ein identitätsstiftendes Erlebnis und als große Attraktion. „Oft sind die Besucher aus der Region oder kennen die Firmen und ihre Mitarbeitenden. Da ist es schön, wenn man Sätze hört wie: ‚Mein Opa hat 30 Jahre bei der Firma gearbeitet‘“, sagt Carla Mannschedel.
VON DER VISION ZUR ERÖFFNUNG IN VIER JAHREN
Vor über zehn Jahren hatte Reinhold Würth die Idee, 2017 ergriff er dann die Initiative und 2018 wurde der Verein „Förderer des Schrauben- und Befestigungsclusters Hohenlohe e. V.“ gegründet. Bei der Eröffnung des Kocherwerks im Juni 2021 hatten sich bereits 19 regionale Firmen der Vereinigung angeschlossen. „Es war für uns alle etwas vollkommen Neues“, sagt Würth, „und gleichzeitig ein wirklich sehr schönes Miteinander der verschiedenen Firmen.“
Diese Mischung aus Geschichte, Technik und Region kommt nicht nur inhaltlich gut an. Jüngst wurde das Kocherwerk mit dem German Design Award in der Kategorie Special Mention 2022 ausgezeichnet. „Die sachliche, moderne Gestaltung hat eine freundliche Ausstrahlung und lädt mit zahlreichen interaktiven Stationen zum spielerischen Entdecken ein. Entstanden ist so ein Ort, der seiner Geschichte treu bleibt und Raum für Neues schafft“, begründete die Jury ihre Wahl. Es ist ein weiteres eindrucksvolles Signal, das die Region und ihre Industrie in die Welt hinaussendet.