Mit Mixed-Reality-Brillen verschmilzt die echte Welt mit Computersimulationen. Bislang werden sie meist mit Videospielen in Verbindung gebracht, zwei neue Würth Produkte nutzen ihr Potenzial nun für die Industrie: Sie verbessern die Fernwartung und die Logistikplanung.
In einer Fabrikhalle steht ein Außendienstmitarbeiter von Würth Italien neben einem Kunden und deutet in verschiedene Ecken des Raumes. Er tippt in die Luft, greift scheinbar ins Leere und zeigt auf Dinge, die es gar nicht gibt. Was für Außenstehende ein seltsames Bild abgeben mag, ist in Wahrheit hochmoderne Logistikplanung. Denn sowohl der Außendienstmitarbeiter als auch der Kunde tragen eine Mixed-Reality-Brille: Mit diesen haben sie sich in die Würth App HoloWarehouse eingeloggt – ein Planungstool, das 3D-Computermodelle von verschiedenen Würth Logistiksystemen enthält und diese maßstabsgetreu in die echte Welt projiziert. Sehen kann dies freilich nur, wer eine Datenbrille trägt. So wie der Würth Mitarbeiter in der Fabrikhalle seines Kunden, der gerade ein ORSY® Lagerregal aus dem Nichts erscheinen lässt und es mit einer Handbewegung an der gewünschte Stelle im Raum platziert. Auf diese Weise planen die beiden das neue Lagerkonzept des Unternehmens – allerdings nicht am Schreibtisch, sondern „live“, direkt vor Ort.

HoloMaintenance bietet neue Möglichkeiten bei der Fernwartung: Techniker müssen nicht für jeden Service vor Ort sein.
„HoloWarehouse vereinfacht die Planung von Logistiksystemen erheblich und macht sie komfortabler“, sagt Dr. Nicola Piazza, Geschäftsführer von Würth Italien. „Durch die Positionierung von virtuellen Inhalten in der realen Umgebung können Kunden bereits während der Planungsphase sehen, wie sich die Logistiksysteme später in ihre Produktionsstätte integrieren lassen.“ Über ein Menü innerhalb der Anwendung kann man zahlreiche Logistiksysteme auswählen und deren Position und Größe beliebig ändern. Sind alle Systeme platziert, erstellt der Würth Mitarbeiter über die App ein 3D-Modell des Raumes, das alle Positionen der gewünschten Systeme enthält. Anschließend schickt er die Datei online als Bestellung an den Würth Hauptsitz.
Bei der Entwicklung von HoloWarehouse arbeitete Würth mit Hevolus zusammen, einem italienischen Start-up, das auch die Basissoftware für Microsofts neue Industrie-Datenbrille HoloLens 2 geschrieben hat.

Mit dem Planungstool HoloWarehouse kann man Würth Logistiksysteme virtuell im Raum platzieren.
Ein weiteres gemeinsames Projekt von Würth und Hevolus ist HoloMaintenance, eine Mixed-Reality-Plattform für Fernwartungen. „Mit HoloMaintenance können Maschinenhersteller ihren Wartungsservice effizienter gestalten“, sagt Dr. Nicola Piazza. „Dadurch ist es beispielsweise nicht mehr nötig, Techniker für jeden Service direkt vor Ort zu schicken. Vor allem für Hersteller mit vielen Kunden im Ausland ist das Potenzial groß.“ In der Praxis läuft die Fernwartung mit HoloMaintenance so ab: Stellt der Endkunde ein Problem mit einer Maschine fest, das er selbst nicht lösen kann, loggt er sich über WLAN oder Bluetooth mit der Datenbrille ins Internet ein. Eine Kamera und ein Mikrofon, die beide in der Brille integriert sind, übertragen den Videoanruf an die jeweilige Service-Hotline.
DER HOTLINE-TECHNIKER SIEHT DAS, WAS DER KUNDE SIEHT.
„Durch die Videoübertragung sieht der Hotline-Techniker dasselbe wie der Endkunde. Über HoloMaintenance kann er diesem Bilder und Pläne sowie hilfreiche Markierungen in das Sichtfeld seiner Datenbrille einblenden und ihm dadurch bei der Reparatur helfen“, erklärt Dr. Nicola Piazza. Dadurch müssen technische Probleme nicht mehr umständlich am Telefon erklärt werden, sondern lassen sich direkt an der Maschine lösen, was die Reparaturzeit erheblich verkürzt. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Fernwartungskonzepten, bei denen der Anwender mit Smartphone oder Tablet hantieren muss, hat der Träger einer Datenbrille beide Hände frei.

Der Hotline-Techniker kann dem Kunden Bilder, Pläne und Markierungen in das Sichtfeld von dessen Datenbrille einblenden.
MIXED REALITY
Der Begriff bezeichnet die Vermischung der realen Welt mit künstlich am Computer erstellten Objekten. Im Vergleich zur Virtual Reality wird die natürliche Umgebung des Nutzers lediglich ergänzt, sie besteht jedoch nicht vollständig aus einem virtuellen Raum.
Mit HoloWarehouse und HoloMaintenance hat Würth Italien zwei innovative Plattformen für die Industrie geschaffen – und bewiesen, dass das Potenzial von Mixed Reality weit über die Umsetzung von spektakulären Videospielen hinausgeht. In Italien wird HoloMaintenance bereits von zwei Unternehmen eingesetzt: bei Diesse Arredamenti aus Forlì, einem Inneneinrichter für Luxusyachten, sowie bei ICAM, einem Hersteller von High-Tech-Hochregallagern aus Bari. In beiden Betrieben bringt die virtuelle Erweiterung der natürlichen Welt greifbare Vorteile.
BETTINA WÜRTH
BEIRATSVORSITZENDE DER WÜRTH-GRUPPE
Mixed Reality begeistert Menschen seit geraumer Zeit auf spielerische Art und Weise. Dabei werden Computerdaten in das Sichtfeld einer Datenbrille eingeblendet und die reale Wahrnehmung durch Animationen, Videos und Bilder erweitert. Im Stadtpark knuddelige Comic-Monster jagen, einen Blauwal im eigenen Wohnzimmer auftauchen sehen oder im Museum ein Ritterheer reiten lassen: Die Möglichkeiten, sich mittels Mixed-Reality-Brille in einer Verschmelzung aus Realität und künstlicher Welt zu bewegen und dort agieren zu können, sind verlockend – und lösen starke Emotionen aus.
Diese emotionale Art des Erlebens nutzt Würth künftig für eine völlig neue Dimension an Vertriebswegen und Service-Anwendungen. Reale Produkte werden so für die Würth Kunden in deren eigener Umgebung virtuell vorstell- und greifbar, noch bevor die Ware real vor Ort ausgepackt und aufgebaut ist. Maschinenstörungen können schneller behoben werden, weil die Techniker vor Ort das Blickfeld mit Hotline-Mitarbeitern teilen und Informationen visuell austauschen können. Schöner Schein? Mitnichten. Die erweiterte Form der Wirklichkeit, einst für Gamer erfunden, bietet Unternehmen künftig einen handfesten Nutzen – und unendliche Möglichkeiten, kreativ mit ihren Kunden in Kontakt zu treten.
Neuen Kundenbedürfnissen gegenüber aufgeschlossen zu sein, gehört zu unseren Maximen: In den zurückliegenden Jahren haben wir die Innovationsgeschwindigkeit stetig erhöht. Das Innovationszentrum der Würth-Gruppe, das gegenwärtig in Künzelsau gebaut wird, wird ebenfalls dazu beitragen, die interne Forschung und Entwicklung nachhaltig zu stärken und voranzutreiben.
Die Welt verändert sich, und damit verändern sich auch die Märkte: Getreu unseren Grundsätzen entwickeln wir erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen konsequent weiter, sehen Herausforderungen als Chance und packen neue Themen an.