Tief unten im Berg bei Franzensfeste arbeiten sie sich Meter für Meter voran. Wenn es die Zeit erlaubt, wagt Giovanni Brentari, Divisionsleiter bei Würth Italien, den Schritt in das unwirkliche Loch im Fels und begibt sich tief hinein ins Gestein, um sich selbst ein Bild vom Stand der Dinge zu machen. Hell erleuchtete Straßen findet er dort, Lkw und Pkw fahren kreuz und quer, Menschen sind konzentriert bei der Arbeit, allein 3.000 auf der italienischen Seite. Es riecht ein bisschen muffig, manchmal weht ein Hauch von Amoniak durch den riesigen Schlauch. Die Nachwehen der letzten Sprengung. Dafür herrschen drinnen immer angenehme 21 Grad, ganz egal, welchen Launen sich das Wetter draußen hingibt. „Es ist wie der Eintritt in eine andere Welt“, sagt Brentari.
Die andere Welt, das ist die Baustelle für den Brenner Basistunnel (BBT), eines der wichtigsten europäischen Infrastrukturprojekte. Denn der Brenner ist mit seinen 1.371 Metern wohl der niedrigste aber der meistbefahrene Alpenpass. Er ist einer der wichtigsten Abschnitte des europäischen Handelswegs von Skandinavien bis ans Mittelmeer und verbindet das österreichische Bundesland Tirol mit dem italienischen Südtirol. 40 Prozent des Güterverkehrs, der die Alpen überquert, wird über diese Route abgewickelt. Die Fahrt über die Schienen der 150 Jahre alten Brennerbahn ist beschwerlich. Bis zu drei Loks müssen schieben und ziehen, um die Waggons sicher über Steigungen und Gefälle zu führen.
Die neu entstehende Flachbahn, die mit 64 Kilometern längste unterirdische Bahntrasse der Welt, soll den Güterverkehr auf die Schiene bringen und die Brennerstraße entlasten. Aktuell dringen die Tunnelbauexperten von vier Stellen aus – zwei in Österreich, zwei in Italien – in den Alpenkamm vor. Mit riesigen Bohrmaschinen und Sprengladungen kämpfen sie sich durch Quarzphyllit, Schiefer, Gneis und Granit. Wenn Ende 2027 die neue Verbindung ihrer Bestimmung übergeben wird, rollen Güterzüge – mit nur einer Lok – mit 120 km/h durch die Röhre, Personenzüge erreichen gar eine Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h. Von Innsbruck kommend (575 Meter hoch) erblickt man dann nach 25 Minuten Fahrzeit auf 750 Metern Höhe wieder das Licht der Welt. Hier in Franzensfeste – oder Fortezza, wie die Italiener sagen.
AUF DER BAUSTELLE WERDEN ELF SPRACHEN GESPROCHEN
Von den rund zehn Milliarden Euro Baukosten übernehmen Österreich und Italien je 30 Prozent, 40 Prozent steuert die EU bei. Und der europäische Gedanke hat sich längst im Baualltag verankert. Konrad Bergmeister, auf der österreichischen Seite von der Gesellschaft BBT SE zum Projektverantwortlichen ernannt, hat genau hingehört: Elf Sprachen werden auf der Baustelle gesprochen. Das ist nicht die einzige Vielfalt, die dieses gigantische Bauvorhaben ausmacht. Brentari und seine Kollegen betreuen in Franzensfeste achtzig Kunden für Würth. Großunternehmer sowie kleine und größere Subunternehmer. „Deshalb“, sagt der Projektleiter Stefano Oss Pegorar von Würth Italien, „müssen wir immer ganz nah am Kunden sein.“
So hat Würth Italien, obwohl die Zentrale nur eine Stunde vom Franzensfester Baulos entfernt liegt, im Juni 2017 direkt an der Baustelle einen eigenen BAULOC® Shop eröffnet. Ein BAULOC® Shop orientiert sich stets am Bedarf des jeweiligen Baufortschritts. Rund 1.500 verschiedene Produkte liegen dort für die Kunden bereit. Von Verbindungselementen bis zur Dübeltechnik, von Kfz-Teilen bis zur Messtechnik oder vom Baubedarf bis zum Arbeitsschutz zeugt die Auswahl von der Würth Erfahrung im Tunnelbau. Drei Mitarbeiter kümmern sich mittlerweile Vollzeit um dieses Projekt. Der Verkäufer hält Dauerkontakt zu den Kunden und liefert auch selbst direkt aus, einer ist für die Logistik zuständig, einer spielt im Backoffice den Libero. Denn, so Oss Pegorar, „Zeit ist das Wichtigste, die Bestellungen sind immer für gestern“. Dabei geht es auch immer um noch bessere Rabatte, weitere Produkte und Services. „Jeder Tag“, sagt Brentari, „ist eine neue Herausforderung“.
Solche Nachrichten verfolgen sie auf der anderen Seite des Berges mit großem Interesse. Würth Österreich schickt sich an, die BBT-Baustelle von seiner Seite aus mit Arbeitsmaterial zu versorgen. In diesem Herbst begannen die Arbeiten am neuen Hauptbaulos Pfons-Brenner, wo allein eine Milliarde Euro verbaut werden sollen. Anfang Oktober wurde ein neuer Würth BAULOC® Shop eröffnet, direkt an der Zufahrtsstraße zur Baustelle, Parkplätze sind ausreichend vorhanden. „Wer zur Arbeit fährt, muss bei uns vorbei“, sagt Benjamin Stadler, der Projektverantwortliche bei Würth Österreich. Mehr als 3.000 Würth Produkte, auf 350 Quadratmeter Verkaufsfläche präsentiert, sollen künftig im Fels verbaut oder zur Instandhaltung von Maschinen eingesetzt werden. Auch hier wird nicht nur verkauft, sondern direkt ausgeliefert. „Eine der Besonderheiten auf einer solch großen Baustelle ist die Vielzahl der Ansprechpartner“, sagt Stadler, „die muss man erst einmal kennen.“ Zudem will Würth Österreich beim zweiten Schritt ganz vorn dabei sein.
2022 beginnt der Innenausbau der unterirdischen Bahntrasse. Gefragt sind dann ganz andere Spezialisten und somit auch andere Würth Produkte. Die Ausschreibungen laufen gerade an. Die richtige Zeit also, um Kontakte zu pflegen und sich zu zeigen. Auch deswegen präsentierte sich Würth in diesem Jahr bereits zum dritten Mal beim „Geomechanik Kolloquium“ in Salzburg. Bei der 67. Auflage der Veranstaltung ging es erneut darum, der Berg- und Tunnelbau-Branche die Leistungsfähigkeit von Würth zu beweisen. „Bevor Umsätze fließen“, beschreibt Stadler das neue Vertriebskonzept, „müssen wir viel Zeit, Geld und Manpower investieren.“ Für ihn ist das Projekt Brenner Basistunnel deshalb „Chance und Abenteuer zugleich“.
Und es ist immer geprägt vom Austausch mit den Kollegen in Italien. Die planen demnächst die Eröffnung einer 24-Stunden-Verkaufsniederlassung. Denn tief unten im Felsen arbeiten sie rund um die Uhr.